Seltene Promotional-Modelle, Annual-Kits und andere Bausätze aus den ´60er Jahren von amt, mpc, Jo-Han und weiteren Herstellern, Maßstab 1:25
SIXTIES CLASSICS
Folge 2: Der 1960er DeSoto von Jo-Han
Eine Ikone des Plastikmodellbaus und zugleich einer der dienstältesteten Bausätze für die US-Car-Fans: Der 1960er DeSoto als Annual-Kit und in der Wiederauflage aus den ´70er Jahren.
Die Marke DeSoto
Im Zuge der allgemeinen Expansion in der Automobilindustrie, die gegen Ende der ´20er Jahre einsetzte, gründete Walter P. Chrysler 1928 die beiden Marken Plymouth und DeSoto. In der Hierarchie
des Chrysler-Konzerns war Plymouth für die Einsteiger-Modelle zuständig, während DeSoto zwischen Dodge und Chrysler angesiedelt wurde – Autos, die nicht ganz so luxuriös wie ein Chrysler, aber
doch größer und edler als ein Dodge sein sollten. Als Namensgeber diente der spanische Eroberer Hernando DeSoto, der als Leiter einer kleinen Gruppe einst den Mississippi
entdeckte.
DeSoto lavierte sich im Gegensatz zu manch anderer Marke ganz gut durch die bald nach der Firmengründung beginnende Wirtschaftskrise, nicht zuletzt, weil sich die repräsentativen, aber nicht zu
teuren Wagen als Firmen- Fahrzeuge und bei Taxi-Unternehmen größter Beliebtheit erfreuten. Als optisches Markenzeichen diente ab 1942 bis in die frühen ´50er Jahre der "Waterfall"-Kühlergrill,
eine Anordnung senkrecht stehender, schmaler Chromstreifen, deren Wölbungen den Vergleich mit einem fließenden Wasserfall nahe legten.
Bis in die späten ´50er Jahre behauptete sich DeSoto mit bis zu vier Modellreihen (1957 –1959: Firesweep, Firedome, Fireflite und Adventurer) und sechsstelligen Produktionszahlen (1957: insgesamt
106.000 Fahrzeuge) hervorragend auf dem heiß umkämpften amerikanischen Markt. Durch die Einführung des Dodge Top-Modells Polara und des "kleinen" Chrysler Newport für das Jahr 1960 wurde die
DeSoto-Nische allerdings immer kleiner. Mit der Produktion von nur mehr 3034 ´61er Modellen endete die über 30-jährige Ära DeSoto am 24. Dezember 1960.
Der 1960er DeSoto Adventurer
Für das Jahr 1960 wurde die DeSoto-Palette auf nur mehr zwei Modellreihen (Fireflite und Adventurer) zusammengestrichen, die in jeweils drei Karosserie-Varianten (Sedan, Hardtop Sedan und Hardtop Coupe) erhältlich waren. Die Grundform der Karosserie wurde – wie schon in den Jahren zuvor – von Chrysler übernommen, aber durch einen noch massiveren Kühlergrill, der seitlich bis unter die Scheinwerfer gezogen war, andere Rückleuchten und breite Chromleisten an den Wagenflanken optisch verändert. Beim Adventurer gab es darüber hinaus massive Radlauf- und Schwellerzierleisten sowie auf Wunsch eine hochglänzende Edelstahl-Einfassung der Seitenscheiben und des Heckfensters.
Während der 1960er DeSoto Fireflite mit dem 361er Motor des ehemaligen Einstiegsmodells Firesweep vorlieb nehmen musste, konnte der Adventurer nur mehr mit dem 383er-V8 geordert werden, der 305 PS leistete und serienmäßig mit der damals bei Chrysler typischen Dreigang-Tipptasten-Automatik gekoppelt war. Das 1960er DeSoto Adventurer Hardtop Coupe kostete 3663 Dollar und wurde in 3092 Exemplaren produziert.
Die Firma Jo-Han
Der Modell-Hersteller Jo-Han wurde ursprünglich als "Ideal Models" gegründet, bis die bereits bestehende "Ideal Toy Company" Protest gegen die Ähnlichkeit der Namen einlegte. John Haenle, der Firmengründer, kombinierte deshalb die ersten Buchstaben seines Vor- und Nachnamens zu der Bezeichnung "Jo-Han".
Im Gegensatz zu anderen Modell-Produzenten spezialisierte sich Jo-Han ausschließlich auf die Nachbildung amerikanischer Automobile, die ausnahmslos im Maßstab 1:25 erfolgte. Die Qualität der
Jo-Han-Formenbauer offenbarte sich in der Tatsache, dass die Firma von 1955 bis 1978 fast alle Promotional-Modelle für Chrysler (außer Valiant und Imperial) sowie die beiden General
Motors-Divisionen Oldsmobile und Cadillac fertigte. Von diesen Werbemodellen wurden ab 1959 auch Annual-Bausätze abgeleitet, nach dem Vorbild von amt nicht montierte Promos mit zusätzlichen
Custom- und Racing-Teilen.
Ab 1962 besaßen die Jo-Han Annual-Bausätze auch Motornachbildungen, ab 1964 gab es zusätzlich Drag- und Funny Car-Versionen der Kits. In diese Zeit fallen auch die Erstauflagen der hervorragend
detaillierten Jo-Han Oldtimer- Bausatzserie, in der es verschiedene Versionen des 1931er Cadillacs und als einzige Ausnahme im sonst rein amerikanischen Angebot zwei Mercedes 500 K-Modelle in
1:25 gab. Auch das Chrysler "Turbine Car" als "Gold Cup Kit" mit weit über 100 Einzelteilen sowie beweglichen Türen und Hauben stammt aus der Jo-Han-Blütezeit in der Mitte der ´60er Jahre.
Ab 1972 brachte Jo-Han eigene Funny Car- und Pro Stock-Kits heraus, die sich bei den amerikanischen Motorsport- Enthusiasten größter Beliebtheit erfreuten. Wenige Jahre später erschienen
zahlreiche ehemalige Annual-Bausätze aus den Jahren 1960 bis 1970 noch einmal in der legendären "USA Oldies"-Serie, wobei den motorlosen Kits der Jahre 1960/61 sogar eine Motornachbildung
spendiert wurde.
In den ´80er Jahren wurde es still um die Firma Jo-Han. Der in aller Eile gegründete Jo-Han-Ableger "XEL" produzierte in geringen Stückzahlen Promos aus den ´50er und ´60er Jahren nach, die
teilweise ohne Innenausstattungen auskommen mussten und keine besonders weite Verbreitung fanden. John Haenle verkaufte seine Firmen in den frühen ´90er Jahren an "Seville Enterprises", die
einige der Funny Car und Pro Stock-Kits wieder auflegten. In der Folge kam es zu weiteren Besitzerwechseln und zahlreichen Ankündigungen von Wiederauflagen, auf die die Fans von Jo-Han bis heute
vergeblich warten.
Der Annual-Kit des 1960er DeSoto
Wie alle anderen "New 1960 Models" wurde auch der DeSoto als "Customizing Car Kit" in einer gelb/roten Einheitsschachtel ausgeliefert. Das Deckelbild ziert ein Phantasieauto in Serien-, Custom-
und Renn-Version, das entfernt an einen ´60er Plymouth oder Dodge erinnert. Beide Seitenteile zeigen die im Kit enthaltenen Zurüstteile, während die Stirnseiten die Aufschriften "Jo-Han Finest in
Miniatures" , "Built 3 Ways" sowie in einem weißen Feld die Typenbezeichnung, die Artikelnummer
(2760) und den Preis (140 Cent) aufweisen
Naturgemäß gestaltet sich der Inhalt eines so frühen Annuals recht überschaubar. Die weiß gespritzten Plastikteile umfassen die einteilige Karosserie mit erstaunlich scharfen Konturen und
Prägungen, die Innenraumwanne, das Armaturenbrett, das Lenkrad, die sehr schlicht gehaltene Bodenplatte mit den "Lowering Blocks" ,die Torsion Bars, die Felgen und diverse Customteile wie Fender
Skirts, Louvres, ein zweiteiliges Continental Kit, zusätzliche Heckflossen und zwei Hood Scoops. Am Chromast befinden sich die Rückleuchten, die Halterung des Conti-Kits, drei (!) Sätze
Radkappen (Stock, Spinners und Babymoons), Sidepipes, Innen- und Außenspiegel, Suchscheinwerfer, optionale Fender Ornaments, Antennen, Auspuffblenden und
Zusatzhörner.
Interessanterweise verfügen alle Jo-Han-Annuals von 1960 über eine Einheits-Bauanleitung. Hierin wird ein rein fiktives Fahrzeug in fünf Baustufen montiert, während auf der Rückseite Vorschläge
für ein ebenso fiktives Modell als Custom- oder Racing-Version zu finden sind. "Racing" bedeutete bei Jo-Han 1960 im Übrigen einen Drehzahlmesser auf der Lenksäule, das Weglassen der Radkappen
sowie einige Sponsoren- und Startnummern-Decals. Auf dem recht reichhaltigen Abziehbilderbogen finden sich darüber hinaus noch Flammendecors und die damals hoch modernen "Scallops". Nicht minder
interessant: Im Gegensatz zur Wiederauflage enthält der Annual-DeSoto Reifen mit einer breiten Weißwand und stabile Metallachsen anstelle der spindeligen Plastikteile!
Die "USA Oldies"-Wiederauflage des 1960er DeSoto
Für die "USA Oldies"-Wiederauflage, die Anfang der ´70er Jahre in einer neu gestalteten, äußerst dekorativen Schachtel (das Deckelbild stammte aus einem DeSoto-Prospekt) erschien, überarbeitete
Jo-Han den Annual-Kit grundlegend. Die von der Erstauflage übernommene Karosserie erhielt eine separate Motorhaube und die alte, simple Bodenplatte wurde in Pension geschickt. An ihre Stelle trat
ein sehr viel besser
detailliertes Fahrwerk, das allerdings auch bei anderen USA Oldies-Modellen wie dem 1962er Dodge Dart oder dem Chrysler 300 aus dem gleichen Jahr zum Einsatz kam. Das gilt leider auch für den
Einheitsmotor, der sowohl der DeSoto-Wiederauflage wie auch vielen anderen Kits dieser Serie beiliegt und daher das jeweilige Triebwerk nicht exakt wiedergibt.
Dass der Höhepunkt der Customizing-Ära in den ´70er Jahren bereits überschritten war, zeigt sich darin, dass der DeSoto-Wiederauflage keines der schönen Annual-Customteile mehr beiliegt. Während der Motorraum mit weiteren Einheits-Teilen für die Batterie, den Scheibenwaschbehälter und den Kühler detailliert werden kann, lässt sich die Karosserie nur mehr mit Chromteilen für einem Außenspiegel, einen Suchscheinwerfer und eine Radioantenne verzieren. Die Reifen weisen anstelle der breiten lediglich eine schmale Weißwand auf und zwei dünne, instabile Plastikachsen ersetzen die beiden stabilen Metallachsen des Annual-Kits. Immerhin verfügt der Kit über rot-transparente Teile für die Rückleuchten anstelle der Erstauflagen-Chromteile.
Die frühen Wiederauflagen des ´60er DeSoto wurden in unterschiedlichen Farben gespritzt und erschienen in weißem, blauem oder rotem Plastik, spätere Exemplare gibt es nur noch weiß. Das Foto der Wiederauflage offenbart bei näherem Hinsehen eine ausgeprägte "Fischhaut" zwischen den Teilen am weißen Gießast, ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Form kurz vor ihrem Ende stand. Apropos Ende: Während die ´60er DeSotos aus der USA Oldies-Serie in den ´80er Jahren für knapp 10.- DM "verramscht" wurden, erzielen perfekte, ungebaute Exemplare heute zwischen 60.- und 80.- Euro, Tendenz steigend!
Die gebauten Modelle des 1960er DeSoto
Die hier gezeigten gebauten Modelle des ´60er DeSoto stammen von verschiedenen Modellbauern und entstanden ausnahmslos aus der Wiederauflage des Kits. Eines der Hauptprobleme beim Bau ergab sich
bei der Einpassung der Innenraumschale mit dem Armaturenbrett, das an der Windschutzscheiben-Unterkante ansteht und die ganze Einheit deshalb im vorderen Bereich unschön nach unten hängen lässt.
Hier müssen bereits vor der Lackierung der einzelnen Teile exakte Anpassungsarbeiten erfolgen, um später böse Überraschungen zu vermeiden.
Weitere Probleme ergaben sich regelmäßig bei der "Hochzeit" von Karosserie und Fahrwerk. Mit den beiliegenden Achsen fällt die Spurbreite sowohl vorne als auch hinten viel zu schmal aus, so dass
für etwas breiteren Ersatz und passende Distanzscheiben gesorgt werden sollte. Bei der im Bauplan vorgesehenen Montage der Karosserie auf dem Fahrwerk steht der DeSoto darüber hinaus viel zu
hochbeinig da – Abhilfe schafft hier das Entfernen der verchromten Befestigungslaschen an der vorderen und der hinteren Stoßstange, wodurch die Karosserie zwei bis drei Millimeter
tiefer gesetzt werden kann.
Da es 1960 kein DeSoto-Cabriolet mehr gab, stellt der Umbau zum metallic-grünen Convertible eine reine Fiktion dar. Immerhin lässt dieses Modell erkennen, dass die Eleganz eines offenen DeSoto
die Verkaufszahlen sicher positiv beeinflusst hätte.
Den Status des 1960er DeSoto-Kits von Jo-Han als absoluten Kult-Bausatz können die vielen oben genannten Schwächen und Ungereimtheiten allerdings nicht schmälern, im Gegenteil: Manche Leute
verfolgt dieser Kit ein ganzes Modellbauer- und Sammlerleben lang, auch wenn sie noch so laut darüber schimpfen – die ganz große Liebe muss eben
nicht immer total perfekt sein!
Die gebauten ´60er DeSoto-Modelle stammen von
Robert Eiber, Feucht bei Nürnberg (violett)
Peter Neumann, Kiefersfelden (rot)
Florian Neumann, Kiefersfelden (Cabriolet, grün)
Christian Pamp, Stockport/England (gelb)
Günther Eberhardt, München ( pink)
Text und Bilder: Gerhard Hoffmann, Bachmehring
Kommentar schreiben