American 66 - Kits Hasegawa

Geheimnisvolle Bausatz-Geschichten


MYSTERIOUS KITS TEIL V


Die „American ´66“-Serie von Hasegawa im Maßstab 1:24


Im Jahre 1993 präsentierte der japanische Hersteller Hasegawa erstmals eine Serie von fünf ziemlich einfach aufgebauten Kits nach amerikanischen Vorbildern von 1966 im Maßstab 1:24 – was steckte hinter dieser überraschenden Entscheidung und den heute längst von der Bildfläche verschwundenen Bausätzen?

„American ´66“ by Hasegawa


In den ´80er und ´90er Jahren zählte die in der japanischen Industrie-Metropole Shizuoka ansässige Firma Hasegawa zu den aktivsten und innovativsten Herstellern von Plastikbausätzen. Neben den Programm-Schwerpunkten Militär-, Flugzeug- und Schiffsmodelle gab es auch immer sehr gut gemachte Auto-Bausätze, vorwiegend im Maßstab 1:24. Dazu zählten die damals unvermeidlichen Ferraris, einige europäische Sportwagen (Jaguar, Porsche), aber vor allem hervorragend detaillierte, zum Teil schon damals mit Fotoätzteilen aufgewertete Renn- und Rallye-Fahrzeuge japanischer Herkunft in Curbside-Bauweise.


So war die Überraschung (und die Freude) der US Car-Fans groß, als Hasegawa zu Beginn der ´90er Jahre die „American ´66“ -Serie vorstellte. Doch die Euphorie legte sich schnell, als die fünf Bausätze der Serie nach und nach in den Handel und die Hände der Modellbauer gelangten. Dabei war die Curbside-Bauweise ohne Motornachbildung noch das kleinste Problem; als viel schlimmer empfanden die Modellbauer die stocksimple Ausführung der Kits mit Einheits-Bodenplatten, teilweise falschen Spurbreiten und Radabständen sowie die lieblos gestalteten Innenausstattungen mit Decals für die Armaturenbretter.


Auch der angegebene Maßstab von 1:24 entsprach mitnichten der Realität: Das war zwar der Maßstab aller anderen Hasegawa-Autos, die American ´66-Modelle waren jedoch, verglichen mit den entsprechenden AMT- oder Jo-Han-Bausätzen eindeutig in der Größe 1:25 gehalten. In Verbindung mit der einfachen, fast promohaften Machart kam seinerzeit schnell das Gerücht auf, dass einer der Hasegawa-Verantwortlichen auf einer Amerika- Reise ein paar Promos erstand, diese zu Hause abkupfern, leicht abändern und daraus mit der heißen Nadel die American´66-Serie stricken ließ.


Ein weiteres Gerücht besagte, dass es Hasegawa bei diesem offensichtlichen Schnellschuss auch mit den Lizenzen nicht so genau nahm. Dafür spricht die Tatsache, dass die Modelle bereits unmittelbar nach einer sehr schnell erfolgten Änderung des Schachteldesigns (die Abbildungen zeigen die erste Serie) spurlos verschwanden und seither auch nicht mehr aufgetaucht sind. Heute sind die Bausätze der American ´66- Serie von Hasegawa nicht mehr leicht zu finden und wer sich - mit der üblichen Verklärung der Vergangenheit - damit beschäftigt, stellt fest, dass diese Modelle, mit der nötigen Sorgfalt gebaut, durchaus ihren Reiz haben. Für einige davon davon gibt es zudem kaum erschwingliche Alternativen – Grund genug, sich trotz allem näher damit zu beschäftigen!

 

1966 Cadillac Coupe de Ville


Der ´66er Caddy ist schon so ein Fall: Wer keinen super seltenen und zehn Mal so teuren Jo-Han Annual-Kit bauen kann oder will, kommt an dem Hasegawa-Bausatz nicht vorbei. Wie bei Jo-Han (ein Schelm, der Böses dabei denkt!) sind die Proportionen der Karosserie hervorragend umgesetzt, so dass dieses Modell die schiere Größe und Eleganz des Fullsize-Originals perfekt wiedergibt.

Insgesamt hat der Modellbauer hier nur 40 Teile zu verarbeiten; dank der Einheits- Bodenplatte (die auch noch ein ganzes Stück zu kurz ist) fällt die Spurbreite allerdings deutlich zu schmal aus. Um dieses Manko auszugleichen, trägt das abgebildete Modell als leichtes Customizing breitere Felgen und Reifen aus einem AMT-Bausatz. Auch die intensive Metallic-Lackierung passt zu diesem Schema und ergibt so in Verbindung mit der sorgfältigen Innenraumbemalung und dem reichlichen Einsatz von „Bare Metal Foil“ ein stimmiges Modell!



 

1966 Buick Wildcat


Zum ´66er Buick Wildcat von Hasegawa gibt es eine echte Alternative von AMT, deren Preise sich dank zahlreicher Wiederauflagen immer noch in erschwinglichem Rahmen bewegen. Der AMT-Kit bietet detaillierte Motor-, Fahrwerks- und Innenraum- Komponenten und in verschiedenen Ausführungen auch jede Menge Custom-Teile. Wer sich mit dem Hasegawa-Bausatz begnügt, muss dagegen nur 41 Teile zusammen setzen und kann sich dank geschlossener Seitenscheiben auch mit dem archaisch gestalteten Innenraum arrangieren.

Wenigstens stimmen beim Buick Radstand, Spurbreite und die Länge der Bodenplatte, so dass sich der Modellbauer auf die sehr gelungene Karosserie konzentrieren kann. Auch hier wirkt eine leuchtende Metallic-Lackierung in Verbindung mit dem reichlich vorhandenen (Bare Metal Foil-) Chrom wahre Wunder, so dass dieses Modell seinem AMT –Pendant zumindest auf den ersten Blick in nichts nachsteht!



 

1966 Pontiac Bonneville

Auch für den ´66er Bonneville von Hasegawa gibt es keine erschwingliche Alternative: AMT bot in vielen Wiederauflagen immer nur den ´65er Jahrgang an (was den ´66er ja nicht zuletzt so begehrenswert macht!) und der MPC Annual-Kit ist so selten und so teuer wie die blaue Mauritius. Wie bei den bereits angesprochenen Bausätzen lässt sich an der Form und der Ausführung der Bonneville-Karosserie nichts aussetzen, im Gegenteil: Das üppige „Coke Bottle“-Design dieser Jahre findet sich auf kaum einem Modell so schön wiedergegeben wie hier!


Dank des ausladenden Pontiac-Hecks gerät die Bodenplatte wieder viel zu kurz und sollte um gute 2,5 cm verlängert werden. Spurbreite und Radstand stimmen dagegen und erlauben den Einsatz der Bausatz-Räder – der verchromte senkrechte Rahmen der Türscheiben lässt sich wie bei den anderen Modellen mit geschlossenen Seitenfenstern durch ein schmales Abfallstück von einem Fotoätzteil Rahmen darstellen.


 

1965 Chevrolet Impala

Nein, kein Schreibfehler, sondern eine Tatsache: Was uns Hasegawa als ´66er Impala verkaufen will, ist in Wahrheit der Jahrgang 1965 – eigentlich nur daran zu unterscheiden, dass der `66er rechteckige Dreikammer- Rückleuchten trägt im Gegensatz zu den sechs runden Einzellichtern seines Vorgängers. Doch damit nicht genug: Beim Hasegawa-Chevy kommt die zweite kleinere Einheits-Bodenplatte zum Einsatz, über die auch der noch kompaktere Thunderbird verfügt. Infolge dessen muss bei der Spurbreite ganz erheblich mit Felgen und Reifen getrickst werden, wie das abgebildete Modell zeigt.



Dieses zwangsweise Customizing darf sich dann durchaus in einer auffälligen Lackierung fortsetzen, um den Chevy stimmig zu gestalten. Die bessere Alternative wäre allerdings der hervorragend detaillierte ´65er Chevy von Revell/Monogram – wer´s mit dem Baujahr genauer nimmt als Hasegawa, muss allerdings einen teuren AMT Annual-Kit schlachten!

 

1966 Ford Thunderbird


Letzter im Hasegawa-Bunde ist der ´66er T-Bird, über den wir eigentlich den Mantel des Schweigens breiten sollten, zumal die Alternative von AMT als eine der vielen Wiederauflagen noch erschwinglich und um Klassen besser ist. Die Hasegawa-Karosserie des Thunderbird an sich stimmt schon, aber die beigelegte, viel zu kleine Felgen-Reifen- Kombination und die wiederum viel zu schmale Spurbreite schaden dem Erscheinungsbild doch ganz erheblich.


So muss der ambitionierte Modellbauer also tief in die Ersatzteilkiste greifen, um die zahlreichen Mängel des Kits zu beheben. Neben anderen Felgen und Reifen sollte die Bodenplatte um ca. 1 cm verlängert werden, um den unerwünschten Blick auf die Innenseite des Kofferraumdeckels zu vermeiden. Nachdem der ´66er T-Bird im Gegensatz zu den anderen Hasegawa-Kits keine Seitenscheiben hat, muss dem Innenraum besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Wer sich an Vorbildfotos orientiert, wird sehr bald feststellen, dass allein für die originalgetreue Ausgestaltung des Innenraums ein ganzer Bogen Bare Metal Foil fällig wird – ob es sich lohnt, unter den Voraussetzungen so viel Aufwand zu treiben, muss jeder für sich selbst entscheiden!

 

Bau der fünf Hasegawa American ´66-Modelle: Peter Neumann, Kiefersfelden

Bilder und Text: Gerhard Hoffmann, Bachmehring

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