In the summer of ´59

Der US-Jahrgang 1959 mit Modellen von General Motors, Ford, Chrysler und Rambler im Maßstab 1:25

IN THE SUMMER OF ´59

 

Das Jahr 1959 darf mit Fug und Recht als Höhepunkt des amerikanischen Chrom- und Flossenwahns bezeichnet werden. Dabei vertrat jeder der US-Automobilkonzerne seinen ganz eigenen Design-Stil, wie die entsprechenden Modelle im Maßstab 1:25 deutlich erkennen lassen.

 

Die „Big Three“ und das „Three Way Styling Battle“

 

Im Jahre 1959 wurden in Amerika insgesamt 5.591.243 fabrikneue Autos verkauft, rund eine Million mehr als im Rezessionsjahr 1958. Der weitaus größte Anteil fiel dabei auf die „Big Three“ (die „Großen Drei“), wie General Motors, Ford und Chrysler genannt wurden, und innerhalb dieser Gruppe wiederum auf GM, damals mit Abstand der größte Automobilproduzent der Welt.

Um die formalen Exzesse von 1959 zu verstehen, muss man bis in das Jahr 1952 zurück gehen. Die Grundformen der damals produzierten Fahrzeuge leiteten sich größtenteils noch von den Vorkriegskarossen ab, deren Zeit sieben Jahre nach Kriegsende endgültig abgelaufen waren. Ein Visionär wie Virgil Exner, damals bereits „Styling Vize President“ von Chrysler, spürte, dass die immer anspruchsvolleren Kunden etwas gänzlich Neues brauchten und bereit waren, dafür viel Geld auszugeben.

Mit der damals üblichen Vorlaufzeit von drei Jahren erschien bei Chrysler folgerichtig 1955 die erste Generation modern gestalteter Autos im dynamisch wirkenden, sogenannten „Forward Look“. General Motors und Ford präsentierten ebenfalls elegante Ponton-Karosserien, die aber dem Zeitgeist folgend Jahr für Jahr ständig größer und mit immer mehr Chrom behangen wurden. 1957 folgte dann der ganz große Paukenschlag:

Wieder war es Chryslers Virgil Exner, der mit der zweiten Generation seines Forward Looks die Karten völlig neu mischte. Die unglaublich eleganten, niedrigen Fahrzeuge mit riesigen Glasflächen und hoch aufragenden Heckflossen ließen alles, was GM und Ford 1957 und 1958 anboten, mit einem Schlag alt aussehen.


So ist es nicht verwunderlich und bei näherem Hinsehen auch eindeutig erkennbar, dass sich die ´59er GM-Formen an den ´57er Chrysler-Modellen orientierten. Die flachen, lang gestreckten Karosserien mit den scheinbar schwebenden Dächern und den riesigen Flossen nahmen die Anregungen des „Forward Looks“ auf, führten sie aber gleichzeitig bis an die Grenze des Machbaren und Sinnvollen weiter.


Während sich Chrysler und General Motors dieserart immer weiter trieben, blieb Ford seinem eher konservativen Design-Stil treu.


1959 erfand die amerikanische Automobil-Fachpresse daher das Schlagwort vom „Three Way Styling Battle“, frei übersetzt dem „Drei Wege Styling Krieg“. Gemeint waren damit der trotz des Diktats eines jährlichen Modellwechsels im dritten Jahr noch immer erfolgreiche „Forward Look“ von Chrysler, das brandneue „Airborne Design“ von GM, das klare Anleihen bei der Luft- und Raumfahrt nahm und das deutlich zurückhaltendere „Brick (=Ziegelstein-) Design“ von Ford.


Besonders General Motors musste 1959 wegen der überdimensionalen Größe und den exzessiven Formen seiner Fahrzeuge viel Kritik einstecken. So sorgte sich der (selbst ernannte) amerikanische Sicherheits Experte Ralph Nader um die Fußgänger oder Motorradfahrer, die durch die messerscharfen Heckflossen-Spitzen des 1959er Cadillac verletzt werden könnten.


Am anderen Ende der GM-Modellpalette verliehen die „Gull Wing“ (=Möven-)-Flügel des ´59er Chevrolet dem Heck des Fahrzeugs bei höheren Geschwindigkeiten so viel Auftrieb, dass der Wagen instabil wurde – inbesondere bei den „Stock Car“-Rennen, die damals noch mit serienmäßigen Autos gefahren wurden, eine heikle Angelegenheit...


 

Die US-Modelle des Jahres 1959 im Maßstab 1:25

 

Glücklicherweise kann der interessierte Modellbauer fast den ganzen US-Car-Jahrgang 1959 im Maßstab 1:25 nachbauen. Schon damals waren die drei Bausatz-Hersteller Revell, AMT sowie Jo-Han aktiv und deckten mit ihren Werbemodellen („Promotionals“, kurz „Promos“ genannt) und den davon abgeleiteten Bausätzen fast das gesamte Spektrum der amerikanischen Automobil Industrie ab. Von diesen Kits leiteten findige Resin-Hersteller auch noch die Modelle ab, die es damals nicht gab und schlossen damit nahezu alle Lücken.

Die nachfolgend vorgestellten Modelle des US-Jahrgangs 1959 zeigen die Unterschiede des „Three Way Styling Battles“ in eindrucksvoller Weise auf und vermitteln einen hervorragenden Eindruck der Vielfältigkeit in Bezug auf die Fahrzeug-Formen einer Epoche, die in der Geschichte des Automobils für immer einmalig bleiben wird.

Natürlich erhebt diese Zusammenstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit; stellvertretend für die riesige Modellpalette jedes einzelnen Autotyps (Cabriolets, zweitürige und viertürige Sedans und Hardtops, Station Wagons) wurde immer nur der als Bausatz oder Promo am häufigsten vertretene Typ ausgesucht.

 

General Motors


Chevrolet Impala Convertible, grün-metallic: Bausatz Monogram, 1:25

Chevrolet Corvette, dunkelrot: Multi-Piece-Bausatz Revell, 1:25


Oldsmobile Super 88 2-Door Hardtop Coupe, violett-metallic: Resin-Body R&R, 1:25


Pontiac Bonneville 2-Door Hardtop Coupe, blau-metallic: Resin Kit Modelhaus, 1:25


Buick Invicta Convertible, türkis: Bausatz AMT (Annual als Builder), 1:25


Cadillac Eldorado Biarritz Convertible, blau-metallic: Bausatz Monogram, 1:25

Ford


Ford Skyliner Retractable Hardtop, hellgrün – dunkelgrün: Wiederauflage des Multi- Piece-Bausatzes von Revell, 1:25


Ford Thunderbird Convertible, blau-metallic: Annual-Bausatz AMT (Builder), 1:25


Edsel Corsair 2-Door Hardtop Coupe, grün-metallic - beige: Resin-Kit von Modelhaus mit Teilen des ´58er Edsel von AMT (Fahrwerk/Motor) verfeinert, 1:25.


Mercury Park Lane 2-Door Hardtop Coupe, kupfermetallic – beige: leicht verzogenes Original-Acetat-Promotional von AMT, mit Bare Metal Foil „veredelt“, 1:25


Lincoln Continental Mark IV 2-Door Hardtop Coupe, rotmetallic: Annual-Bausatz AMT (Builder), 1:25


 

Chrysler


Plymouth Fury Convertible, rot: Umbau aus XEL-Promo mit Teilen des 1957er AMT Plymouth und einer Innenausstattung von Modelhaus, 1:25

Dodge Custom Royal Convertible, gelb – schwarz: Umbau aus XEL-Promo mit Teilen des 1957er AMT Chrysler 300 und einer Innenausstattung von Modelhaus, 1:25


Chrysler New Yorker 4-Door Hardtop Sedan, grau-metallic: Umbau aus XEL-Promo mit einer Imperial- Innenaustattung von AMT, 1:25


Imperial Crown 2-Door Hardtop, hellblau: Bausatz von Modelking (Wiederauflage des Annuals von 1959), 1:25


 

Rambler

Rambler Ambassador Station Wagon, beige: Umbau aus einem XEL-Promo mit Eigenbau-Innenausstattung, 1:25


Was kam danach?

 

Das Jahr 1959 markierte also den Höhepunkt der stilisten Auswüchse in der amerikanischen Automobilindustrie, gleichzeitig aber aber auch den Wendepunkt. Speziell bei General Motors deutete sich schon 1960 eine Umkehr an: Die Heckflossen wurden entschärft, die Formen klarer und die Ausmaße ab 1961 deutlich kleiner. Auch Ford läutete mit den sachlichen Karosserielinien von 1960 die Wende ein, nur Chrysler versuchte 1960/61 mit noch höheren Heckflossen und teilweise abstrusen Formen den Vorsprung von 1957 wiederzuerlangen – ohne Erfolg, denn die „wilden Jahre“ waren unwiderruflich vorbei.

Obwohl 1959 die Welt noch in Ordnung war, zeichnete sich schon so etwas wie eine „Götterdämmerung“ für die übergroßen, chrombehangenen Straßenkreuzer ab: Zum Modelljahr 1960, also im Herbst 1959, stellten die „Großen Drei“ ihre „Compacts“ Chevrolet Corvair, Ford Falcon und Plymouth Valiant vor, um dem großen Erfolg der kleinen Importwagen – allen voran dem VW Käfer – etwas entgegen setzen zu können.

Wie den hier gezeigten ´59er Jahrgang kann der Modellbauer mittlerweile fast jedes von ihm gewünschte US-Modelljahr von der Mitte der ´50er bis zur Mitte der ´60er Jahre einigermaßen komplett im Maßstab 1:25 nachstellen – die recht rührige Resin-Szene und die Wiederauflagen-Politik der Bausatz-Produzenten machen das möglich. Allerdings funktioniert das nur bis in die Mitte der ´60er Jahre; danach werden die Lücken immer größer, obwohl oder gerade weil die Typenvielfalt in der US-Automobilindustrie immer unüberschaubarer wurde. So ist es hier beinahe wie im richtigen Leben: Die besten Jahre waren eben die von 1955 bis 1965 und der Höhepunkt 1959!

 

Text und Fotos: Gerhard Hoffmann, Bachmehring

Modelle:

Gerhard Hoffmann, Bachmehring:

Buick, Cadillac, Chevrolet, Corvette, Dodge, Edsel, Ford, Imperial, Lincoln, Mercury, Oldsmobile, Plymouth und Pontiac

Robert Eiber, Feucht bei Nürnberg:

Chrysler und Rambler

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Kommentare: 1
  • #1

    Oliver Löbert (Mittwoch, 23 Dezember 2015 08:00)

    Sehr schöner Bericht über eine unwiederbringliche Ära des Automobils mit wunderschönen Modellen aus dem unerschöpflichem Fundus von Gerhard und Robert.
    Meiner Meinung nach war der schönste Jahrgang 1957 kurz vor der Eskalation der bizarren Formen und des extremen Chromschmucks in 59.