Turbinengeschichten

Turbinengeschichten

 

Silent Sam

 

Verschiedene Hersteller, Maßstab 1:25

Turbinengeschichten oder wie sie dem „Lautlosen Sam“ die Luft abschnürten!

 

Im einzig wahren Maßstab 1 : 24/25 - und auch für Fans größerer Modelle - gab es Einiges, das statt eines Hubkolbenmotors von einer Gasturbine angetrieben wurde.

Da wäre zunächst mal das Bekannteste, nämlich das Chrysler Turbine Car von der Fa. Johan. Ein schöner, komplizierter Bausatz mit zu öffnenden Türen, klappbaren Sitzen und auch zu öffnendem Kofferraum und Motorhaube. Chrysler benutzte seine Kunden als Versuchskaninchen, sammelte aber fast die ganze Produktion wieder ein und stampfte alle ein. So gibt’s nur noch ganz wenige Überlebende, nämlich die, die Chrysler nicht mehr in die Finger bekam. 

Der abgebildete Bausatz zeigt ein „Exclusive Frame Pack“. Der Boden steht verkehrt herum im Schachteldeckel und alles ist eingeschweißt, damit man den Inhalt betrachten kann. 


Revell hatte im „Parts Pack“-Programm eine ‚Experimental Turbine‘, von der schon eine bereit liegt, um mit einem AMT Silhouette Showcar verheiratet zu werden!

Ist aber leider noch nicht passiert.


Jetzt werden manche sagen: ‚Was hat denn das in der Geschichte zu suchen?‘ Eine ganze Menge! Der Silhouette liegt nämlich ein durchsichtiges aufklappbares Anhängerei bei, das als Transporter dient, um das Ding zu den Shows zu trailern. 

Die originale Silhouette war in Purple Pearl lackiert. Sie wurde von Custom Car-Legende Bill Cushenberry designet. Sein Markenzeichen war ein Plexiglas Bubble Top, das viele seiner Kreationen krönt. Ich habe es mit Pactra Lexan Purple Pearl Farbe auf Silberbase probiert. Ein Lack, der schon beim Anschauen Probleme macht und der nicht richtig aushärtet. Erst ein Überzug mit Kunstharzklarlack fixierte das Ganze.



Und jetzt kommt’s. Als 1967 von AMT der Silhouette-Kit erschien, zeichnete jemand in der Zeitschrift Car Modeler einen Truck, der aus einem umgedrehten Silhouette-Trailer bestand und einem Auflieger im Eigenbau aus Karton. Wie alle wissen, kann ich sowas nicht unkommentiert hinnehmen, auch wenn’s 40 Jahre später ist.

Der Plan war, ein Truck-Fahrgestell unter den Trailer zu schnallen, eine ‚Turbine Car‘-Turbine zu implantieren und aus den Resten eines AMT-Autotransporters sowie einer Menge Plastikplatten einen Kofferauflieger mit Riesenschaufenstern für die Turbine Silhouette zu bauen. 

Das Fahrgestell spendete ein Monogram F-350 Dualie Pick-Up. Darin eingebaut habe ich die komplette Technik eines geschrotteten Johan Turbine-Cars, inklusive gekürzten und hochgezogenen Auspuffschächten vom Turbine, die vor dem Auflieger durch’s Oberdeck an die frische Luft kommen.

 Das Führerhaus besteht aus dem Silhouette-Trailer-Unterteil, Ladeklappe, Riesentrailerscheibe und zwei Turbine Car-Heckstoßstangen, die unterschiedlich durchgeschnitten auf die erforderliche Länge gebracht wurden, um nach dem Verchromen bei Chrom-Tech USA saugend als Grill für den Truck zu dienen. 

 

Die ‚Pancake‘-Lufteinlässe an den Schnauzenecken gehörten ursprünglich zu einer 62er Corvette von AMT. 


 

Das Oberdeck habe ich aus Evergreenplatten geschnitzt. Die Inneneinrichtung ist eine bunte Mischung aus Turbine-Car-Teilen und Sitzen aus der Restekiste. Darin fand sich auch eine Sattelplatte.


Der Auflieger: Als Boden das gekürzte Unterteil vom AMT Haulaway-Trailer, der Rest besteht aus Plastikplatten unterschiedlicher Durchsichtigkeit.

Das Fahrgestell ist etwas tricky. An einem selbstgemachten Träger sind beide Räder einer Seite per Stummelachse befestigt. Jeder der beiden Träger seinerseits ist mit der Karosserie mittig drehbar verbunden, so dass immer alle Räder am Boden sind. Eine Schwinge also.

Die Kotflügel zeigen die Umrisse einer 62er Corvette-Seitencove und sind im Schichtverfahren verklebt und verschliffen worden.

Der ganze Truck wurde mit VW Viperngrünmetallic geduscht.

 

Die Schwingtüren im Heck entstanden auch scratch und sind im ‚Diners Stil‘ gehalten. 


Jetzt hat’s ja geheißen, das Ganze dient dem Transport der Turbine Silhouette, aber leider gibt’s ja immer noch keine. Also ist einfach ‚Silent Sam‘ eingezogen.

Silent Sam?

Richtige Bausätze davon gab’s genug, aber leider alle im falschen Maßstab – 1 : 12 von Tamyia und 1 : 20 von MPC.

 

Mit vollem Namen heißt er ‚STP Special Turbine Racer‘. 


Eine kleine Resin-Bude in den USA erbarmte sich meiner (und wohl noch einiger anderer) und brachte eine schöne 1 : 24 Replic. In ‚day glow red‘ und schwarz lackiert mit Rädern von MPC entstand ein wunderschönes Modell vom ‚Lautlosen Samuel‘. 

Er wurde um seine Zukunft betrogen. Da ihm die Konkurrenz nicht anders beikommen konnte, wurde der Lufteinlass per Regelwerk immer weiter verkleinert und – wie wir alle wissen – rennt keiner schnell, wenn man ihm die Gurgel zuschnürt. 


Als Modell gab es aber noch mehr Turbinenrenner:

 

Von Polistil ein Diecast Fertigmodell eines weiteren Lotus STP-Special. 


Von MPC einen Lotus STP-Special im Wedge Design mit einem kleinen Traktor als Starthilfe.

Von MPC erschienen auch zwei Experimental Turbinenautos, der Howmet TX und der Howmet TX II.

Zwei sehr seltene und gesuchte Kits, die nie mehr wieder aufgelegt wurden. Das 1 : 43 Teil auf den Fotos stammt von Polistil und wurde mit der richtigen Lackierung versehen. Es liegt als Bonus dem Kit bei und kommt so beim Betrachten des Kit-Inhaltes im Zehnjahresrhythmus immer wieder mal zum Vorschein. Beim ersten Howmet ist das ganze Dach verchromt, der zweite hat gar keins!


Und last but not least der GMC Astro 95 – zwar kein Renner, sondern ein Riesen-Truck.

Aber in einer kleinen Serie zierte das normale Deckelbild ein kleiner Zusatz: ‚Exclusive Turbine and Diesel Engine‘ includet.

Bausatznummer war AMT T510 für beide. Man konnte dann statt des normalen Cummin’s Diesels eine GMC Turbine einbauen, was ich auch irgendwann zu tun gedenke.

 

So viel Arbeit …. so wenig Zeit!!!

Modelle, Text und Bilder: Günther Eberhardt, München

 

Ergänzung von Christian Vana:

 

Günther hat mich aufgefordert, doch ein paar Photos von meinem Bubble-Top aus einer Gilette_Rasiererverpackung zu schicken. Écco. Idee war mit der von einem Revell Meter Cheater Showrod stammenden Hinterachse samt Motor ein ultraflches Showcar zu machen. 


Modell und Bilder: Christian Vana, Baden bei Wien

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Kommentare: 8
  • #1

    rainer (Freitag, 18 Mai 2018 18:32)

    Na, da hat mal einer richtig GAS gegeben.
    Das fundierte Wissen unseres Plastik-Professors und sein Knowhow sind einfach nur beeindruckend. Wenn er sich etwas einbildet oder vorgenommen hat, wird es realisiert.
    So und nicht anders kennen wir ihn.
    Vielen Dank, lieber Prof. für den packenden Gasturbinenbericht. Es kam keinerlei Langeweile während Ihres Referats auf.
    Wann ist Ihre nächste Vorlesung ?

  • #2

    Gerhard (Samstag, 19 Mai 2018 20:01)

    Die kurze, aber heftige und hoch interessante Geschichte des Turbinen-Antriebs im Automobil im Maßstab 1:25 - so perfekt recherchiert und eindrucksvoll präsentiert, wie es nur der Spezialist für exotisches Plastik, Günther Eberhardt kann! Eine kleine Ergänzung: Bereits zwei Jahre vor dem fehlgeschlagenen Versuch mit dem oben erwähnten "Turbine Car" (Jo-Han) stellte Chrysler einigen Auserwählten ein turbinengetriebenes Fahrzeug zu Erprobungszwecken zur Verfügung. Das waren äußerlich ganz normale ´62er Dodge Dart- Viertürer, als Turbinenauto erkennbar nur an einem anderen Kühlergrill und den stilisierten Umrissen Amerikas auf den Seiten - machbar in 1:25 mit dem (super raren!) Revell-Annual-Kit des viertürigen Dodge Dart von 1962 und dem exakt korrekten "Turbine Grille" aus dem Revell "Custom Car Parts"-Pack mit der Bezeichnung "Experimental Bumpers and Grilles" (Art.-Nr.:C1152) aus den ´60er Jahren. Also, Günther, auf geht´s!!!

  • #3

    Günther (Freitag, 25 Mai 2018 19:38)

    Mein lieber Guru! Auf geht's, gibt`s leider nicht, weil ich es über die Jahre leider nicht geschafft habe, den, wie Du so schön sagst, super raren Kit aufzutreiben. Täte mir aber auch nix nützen, weil ich zwar den Grill aus dem "Custom Car Parts"-Pack habe , aber die Abziehbilder leider auch nicht gekauft habe (Umriss Amerika mit Text!) Die gab`s nämlich soviel ich mich zu erinnern glaube von Fred Cady . Also erst mit allen drei Raritäten wäre der Braten fett.
    Aber da Du ja eine Klinikpackung von dem Bausatz hast, kannst Du ja augenblicklich loslegen!!! Aller Augen der Community hier ruhen auf Dir oh Guru!

  • #4

    Andi (Donnerstag, 13 Dezember 2018 19:48)

    Hallo Robert,
    warum habe ich deine Webside erst jetzt endeckt? Die ist super. Vor allem dir Artikel über die Renwal-Revival-Kits sind extrem interessant.
    Aber - ohne jetzt in den Schlaumeiermodus verfallen zu wollen - die Geschichte des Chrysler Turbine Cars wie oben beschrieben ist schon ein wenig arg krumm. Das wichtigste in Kürze:
    1. Chrylsler liess 50 Karosserien bei Ghia in Italien bauen, in denen die Turbinen eingebaut wurden. Daher mussten auch eigentlich alle 50 verschrottet werden. Nicht weil Chrysler das so wollte, sondern aus rechtlichen Gründen. Es gibt übrigens ein Video von der Verschrottungsaktion, das einige Zeit auf einer Chrysler-Turbine-Car Fanseite kursierte.
    2. Chrysler benutzte seine Kunden nicht als Versuchskaninchen, sondern die 50 Fahrzeuge waren nie für den Verkauf bestimmt. Man konnte sich als Chrysler-Kunde für eine temporäre Überlassung eines Turbine Cars zu Feldversuchszwecken bewerben. Sprich ausgewählte Kunden bekamen die Fahrzeuge für eine bestimmte Zeit kostenfrei überlassen und gaben enstprechende Rückmeldung an Chrysler. Es wurde nie ein Fahrzeug verkauft, sondern alle mussten an Chrysler zurückgegeben werden.
    3. Meines wissen haben - warum auch immer - 10 Fahrzeuge überlebt. Meiner letzten Info nach sind zwei davon noch Fahrbereit. Eines dieser beiden gehört Jay Leno.
    4. Auf o.g. Fanwebside gab es auch mal ein Soundfile eines beschleunigenden Turbine Cars. Hörte sich echt Interessant an. Vor allem der Startvorgang der Turbine. Keine Ahnung, ob das noch irgendwo zu finden ist.
    5. Es gibt ein hervorragende Buch über das Turbine Car. "Chryser's Turbine Car - The rise and fall of Detroit's coolest creation" von Steve Letho. ISBN-978-1-61347-345-4. Unbedingt empfehlenswert.
    Gruß, Andi

  • #5

    ChV (Sonntag, 13 Januar 2019 11:44)

    Als Teilzeit-Automodellbauer seit 50 Jahren kann ich mich vor dieser Arbeit (und allen anderen hier) nur sprachlos verbeugen.
    Turbinenautos waren die Zukunftstechnologie meiner Jugend, aber als Jochen Rindt zum Lotus Turbinenauto sagte, daß der Antrieb so träg reagiert, daß man schon vor der Kurve Gas geben muß, kam meine jugendliche Skepsis auf. Irgendwie erinnert mich der Elektromobiltätshype heute genau an den damaligen Turbinenhype...
    Vom MPC Lotus habe ich aus meiner Kindheit noch den Traktor (restauriert in der Vitrine) und die Turbine. Überlege mir, sie in das Revell Drag-Boat einzubauen, aber hier gibt’s ja so viele andere Anregungen. Vielleicht eine Hommage an Renaults Étoile Filante?
    Bubble-Tops haben schon was (einer meiner ersten Bausätze war Revells Beatnik Bandit). Habe mich von einem Plastik-Cover eines Naßrasiers zu einem Bubble-Top mit Corvair-Antrieb (Revell lieferte ja erfreulicherweise bei jedem Buggy einen zusätzlich mit) insperieren lassen.
    Bin schon gespannt, was es hier künftig noch zu sehen gibt.
    Herzliche Grüße und Gratulation zur ganzen Sammlung, Christian

  • #6

    Günther (Samstag, 19 Januar 2019 21:32)

    Hallo Christian ChV
    Deinen turbinennassrasierer wollen alle hier sehen ! Schick doch Bilder von dem Ding an Robert
    Auf kreativen Wahnsinn steh ich total und auch alle anderen völlig Normalen hier sind sicher neugierig wie sowas ausschaut.
    Viele Grüße und nicht schüchtern sein
    Günther

  • #7

    ChV (Freitag, 15 Februar 2019 15:26)

    Lieber Günther,
    Ist leider keine Turbine, sondern nur ein Corvair-Schüttelhuber, wie Felix Wankel gesagt hätte. Hoffe, macht trotzdem Spaß. Aber neben dem Kleintraktor in der Vitrine habe ich auch noch die Turbine vom MPC-Lotus, schaun mir amal...
    Herzliche Grüße, Christian

  • #8

    Günther (Samstag, 23 Februar 2019 16:25)

    Lieber Christian,
    Das Teil gefällt mir. Vom Stil her ein bischen Ed Big Daddy Roth . Cool Du solltest so weitermachen. Alle Daumen in die Höhe
    Viele Grüße
    Günther