1954 Chevrolet 150 Sedan Delivery

1954 Chevrolet 150 Sedan Delivery

 

„The tone in your phone“

 

 

Revell, Maßstab 1:25

Irgendwann im März auf einem Parkplatz entlang der A9, irgendwo zwischen Nürnberg und München, nachts um 0:15 Uhr.

„Sind sie das?“ Mit einem Blick in den Rückspiegel stellte Superagent Robert E. von der FMI (Franconia Modelling Intelligence) die Frage an seine Junioragent-Kollegin S.

„Nein, ich glaube nicht. Der fährt weiter“ erwiderte S. mit einem schnellen Blick über die Schulter durch die Heckscheibe ihres Einsatzfahrzeugs.

„Die machen´s aber spannend, sie sind schon seit einer Viertelstunde überfällig“ knurrte Agent E vor sich hin.

„Die kommen schon noch!“

„Na, mal schauen...“

Mittlerweile hatte leichter Nieselregen eingesetzt, sodass das Schweigen nur vom monotonen Quietschen des Scheibenwischers unterbrochen wurde.

10 Minuten später näherte sich von hinten wieder ein Scheinwerferpaar, dass immer größer wurde und 50 Meter hinter ihrem Fahrzeug zum Stehen kam.

Dann wurde dreimal die Lichthupe betätigt – das vereinbarte Zeichen.

„Bist du bereit?“ fragte Robert seine Kollegin.

 

„Ja, bringen wir es hinter uns“ , mit diesen Worten öffnete sie bereits die Fahrzeugtür und stieg aus.

Gleichzeitig öffneten sich an dem anderen Auto die Türen und Specialagent Günther E. schälte sich aus dem Fahrzeug, während seine Assistentin T. die Fahrertür öffnete und ebenfalls ausstieg. Beide waren von der BCA (Bavarian Customizing Agency) geschickt worden, um den Deal abzuwickeln.

Beide Paare gingen aufeinander zu und blieben dann im Abstand von ca. 3 Metern zueinander stehen.

„Man hat nie genug Plastik“ begann Robert die Übergabe einzuleiten.

„Lieber haben als brauchen“ war die vereinbarte Antwort von Günther.

„Hast du das Modell dabei?“ fragte Günther durch seinen Schnurrbart.

„Wenn du den Kit hast, ja“ war Roberts Antwort.

Auf seinen Wink hin trat S. vor und übergab T. eine kleine Schachtel, woraufhin T. ebenfalls eine etwas größere Schachtel an S. übergab.

Durch ein kurzes Nicken bestätigte T., dass mit dem Inhalt des Päckchens alles in Ordnung war, woraufhin Robert seine Kollegin fragte „Alles drin?“

„Passt“ war die kurze Antwort.

„Na dann...“

„Tja, na dann“

Nach diesem kurzen Abschied trennten sich beide Agentenpaare wieder und gingen unter ständiger Beobachtung des anderen, wieder zu ihren Fahrzeugen zurück.

Das Auto der BCA verließ als Erstes den Ort der Übergabe, während Superagent Robert und seine Kollegin noch ca. fünf Minuten warten sollten, um dann ebenfalls zu verschwinden.

„Wirf bitte nochmal einen Blick auf den Kit“, bat Robert an S. gewandt.

„Irgendwas war anders als sonst“

„Ok“ meinte S. und wollte die Schachtel öffnen.

„Scheiße, was ist das denn?“ schrie sie, kaum dass sie die Schachtel geöffnet hatte.

„Alles rot!“

 

Zu beider Entsetzen war die komplette Pappschachtel mit tiefroter Farbe vollgesogen und auch die Chromteile und Gläser waren rot eingefärbt. Der Bausatz war wohl so sabotiert, dass er sich einige Minuten nach der Übergabe selbst zerstörte.

„Neeiin!“ mit diesem Schrei bin ich in meinem Bett aufgewacht und wusste zuerst mal gar nicht wo ich überhaupt war. Schweißgebadet und stoßweise atmend warf ich einen kurzen Blick auf den Wecker: 02:56. Nur geträumt – Gott sei Dank!

Dann fiel mir wieder der sabotierte Kit aus dem Traum ein, ich stand auf und schwankte mit zittrigen Knien schnurstracks in mein Bastelzimmer und öffnete mit flauem Gefühl im Bauch die Bausatzschachtel:

Mir fiel ein Stein vom Herzen, es war alles in Ordnung, nichts verfärbt oder sonstwie sabotiert.

 

Klasse, jetzt konnte der Bau des Modells an kommenden Tag beginnen!


In Wirklichkeit war natürlich alles ganz anders. Als nämlich Günther das letzte mal uns besuchte, und wir uns wieder gegenseitig die neuesten Spinnereien und „man könnte doch“ durch die Gehirnwindungen jagten, kam irgendwie das Gespräch über eine meiner Jugendsünden zustande, nämlich ein 54er Chevy Delivery.

„Der gefüllt mir nimmer, den werde ich irgendwann mal irgendwie anders machen oder restaurieren“ sagte ich, eigentlich mehr zu mir selbst.

 

Das Modell hatte ich irgendwann Mitte der 1980er Jahre mal gebaut, einfach ohne irgendeine Vorbereitung bemalt und zusammengepfuscht. Dann noch irgendein buntes Decal an den Seiten aufgebracht und fertig war die Kiste. Ok, zugegeben, die Pinsellackierung war nicht schlecht aber der Rest ging einfach nicht mehr.

„Nein, das machst du nicht. Den gibst mir“ war der Einwand vom Günther. Nachdem ich in solchen Sachen wie Hergeben oder Tauschen von Modellen immer äußerst zickig reagiere (was daran liegt, dass ich die meisten Sachen nur einmal habe), meinte der Günther „Den gibst mir und du bekommst von mir einen neuen ungebauten Kit. Den kannst du dann so bauen, wie du ihn willst“.

 

Nach kurzem Zögern habe ich dann doch eingeschlagen, der Günther war mit meiner 80er Jahre Gurke happy und ich bekam einen jungfräulichen Kit per Hermes geliefert.

Ich habe mich dann dazu entschlossen, den eigentlich nur als Rod baubaren Chevy, in eine brave Stock-Dame zu verwandeln.

Zuerst wurden die groben Gießnähte weggehobelt, anschließend die falsche Form der Rücklichter mit Evergreen und Spachtel korrigiert und die Öffnungen der Scheinwerfer vergrößert.

Dann mit Tamiya grundiert.

Als Lackkleid habe ich mir eine schicke Zweifarblackierung ausgedacht, nämlich oben ein ganz helles Grau von Multona und untenrum ein pastelliges Pfirsich von Edding.

Bis hierhin war alles prima und eitel Sonnenschein.

Bis der Klarlack dann drauf war!

Wer schon mal ein versucht hat, rotes Revell-Plastik zu lackieren, der weiß, wie es ausging.

Genau! Die rote Plastik-Farbe ist an einigen Stellen wieder durchgekommen und somit war die eigentliche Lackierung ruiniert.

War der Albtraum ein paar Tage vorher mit der roten Farbe ein Omen?

Also habe ich den Kit, den Tränen nahe, weggepackt und mich nach einem neuen Bausatz umgesehen, den ich dann auch über Ebay bekam. Eine neuere Auflage von 2013, endlich in weißem Plastik aber sonst unverändert 80er Jahre Qualität.

 

Also ging die ganze Prozedur wie oben beschrieben von vorne los. Dafür passte dann auch alles, die Lackierung war, bis auf ein paar kleine Staubeinschlüsse, tadellos

Nachdem der wenige Chrom mit BMF erledigt war, ging es an die Scheiben.

Der Kit ist ja berühmt dafür, dass die Windschutzscheibe überhaupt nicht in die Öffnung passt, außerdem ist sie auch noch zu flach.

Das Problem lies sich aber relativ schnell in den Griff bekommen, indem ich die seitlichen Gläser für die Ausstellfenster abgeschnitten habe. Denn die nämlich sind der Grund dafür, dass das Teil nicht passt. Die Seitenfenster aber bitte so abschneiden, dass links und rechts an der Frontscheibe noch ein kleiner Rand stehen bleibt, mit dem die Scheibe dann in den Rahmen geklebt wird. Oben und unten einkleben geht nicht, weil da kein Rand zur Verfügung steht.

 

Die kleinen Seitenscheiben habe ich mir dann aus Klarsicht-Evergreen selber gemacht, die Heckscheibe passt perfekt.

Das Armaturenbrett wurde in der Dachfarbe lackiert, zuvor aber alles von der sportlichen Mittelschaltung auf die zeitgenössische Lenkradschaltung umgestrickt


Das Lenkrad und die Lenksäule stammen vom AMT 51er Chevy, der noch öfter als Teileträger herhalten musste.

Die Türpappen und die vordere Sitzbank wurden seidenmatt braun lackiert, ebenso der Boden im Fahrgastraum.

 

Die Ladefläche nach dem Sitz habe ich mit einer hauchdünnen Schicht Balsa-Holz beklebt. Hätte ich mir aber schenken können – sieht man nicht mehr...

Der Unterboden mitsamt Fahrwerk stammt vom Revell-Kit, lediglich die kompletten Räder stammen wieder vom 51er Chevy. Die habe ich in der richten Höhe eingeklebt, dass das Modell seinen Rod-Charakter verliert.

 

Die Rücklichter sind auch die originalen, sie wurden lediglich farblich den Stock-Rücklichtern angepasst.

Die Scheinwerfer sind ja beim Revell-Rod so, dass einfach die nackten Linsen in die Öffunngne geklebt werden, was ja beim Stock-Modell überhaupt nicht geht!

Also habe ich mir wieder mit 51er Teilen beholfen, wobei die nicht 100%ig richtig sind, weil die 54er Scheinwerfer von der Wölbung her etwas flacher sind. Aber besser als gar keine...

 

Die Scheibenwischer sind übrigens beim 58 Edsel übrig geblieben.

Der restliche Chrom liegt dem Kit bei, wobei der neueren Ausgabe des Bausatzes auch der 53er Grill beiliegt. Mal schauen, ich habe ja noch die erste, missratene Karosserie da liegen...

Die seitlichen Decals stammen vom 63er Nova Wagon, mit dem genialen Spruch „We´ll put the tone back in your phone“

 

Und dass der Firmenchef auch noch „Ringer“ heißt, ist das i-Tüpfelchen!

Und was wurde aus meiner alten Jugendsünde?

Keine Angst, der geht’s gut!

Aber der Günther wäre ja nicht der Günther, wenn er nicht das alte Modell seinen Ansprüchen entsprechend verändert hätte.

 

Also wurden Custom-Räder verbaut und die ganze Fuhre noch tiefer gelegt, die Auspuffanlage hat er durch dicke Endrohre ersetzt.

Die alte Silberfarbe hat er auch beseitigt und durch BMF ersetzt. Und auch der Innenraum wurde von ihm verschönert und farblich umlackiert.

Auf diese Weise hat der alte Hobel in Günthers Untiefen seiner bescheidenen Sammlung, noch ein sehr langes Leben in seiner alten Form vor sich. Bei mir wäre er zerlegt worden..

Ach ja: Aus der damaligen Hot-Rod-Reihe von Revell gab es auch noch einen 54 Chevy Sedan, in der gleichen, unterirdischen Qualität. Das ist aber ein 210, also eine Klasse höher als dieser 150, mit Seitenchrom.

Und was mit dem Delivery funktioniert hat, sollte doch auch mit dem Sedan hinhauen?

 

Zerlegt habe ich ihn schon mal.

Und unsere beiden Modellbau-Geheimdienste sollen angeblich auch schon wieder irgendwelche geheimen Treffen vereinbart haben...

Robert Eiber, Feucht bei Nürnberg

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Kommentare: 4
  • #1

    Anonym (Samstag, 29 Mai 2021 09:45)

    Agend E. rufen sie umgehend mit Ihrem Schuh-Telefon die bekannte Nummer in der
    Zentrale an und holen Sie sich die Beifallsbekundungen vom Diensthabenden ab.
    Der konspirative Zusammenbau von Plastikschrott soll, laut neuen Direktiven aus Berlin
    zu Staatsdoktrien erhoben werden !Weitere Anweisungen folgen bald

  • #2

    Oliver Löbert (Samstag, 29 Mai 2021 11:33)

    Wenn ich Euch (Günther und Robert) nicht beide so gut kennen würde und die Agentenstory als Neuling hier zum ersten mal lesen würde (und auch den Kommentar von Anonym) dann würde ich mir langsam Gedanken um die geistige Gesundheit von beiden machen :-) Aber da ich beide sehr gut kenne muss ich mir nicht weiter Sorgen machen da das hier alles ganz normal ist. Zu den Modellen: Robert hats wieder mal geschafft aus einer 80er Revell Grotte im modifizierten Look mit viel Einsatz und einigen Kollateralschäden (rotes Plastik) ein Stock Modell zu erschaffen. Auch der Custom Delivery im 90er Stil hat was obwohl das nicht meine Sparte ist. Ich steh da mehr auf Oldschool Customs wenns mal nicht Stock sein soll. Irgendwann mal juckts mich auch wieder in den Fingern einen Custom zu bauen. Bloss was soll man da noch machen, Robert hat ja schon alles gebaut :-)

  • #3

    Christian (Sonntag, 30 Mai 2021 10:33)

    Lieber Robert!
    Träume, was wohl Herr Dr. Freud zu diesem bemerkt hätte? Das Auto ist superschön geworden und die glückliche Telephongesellschaft muß wohl sehr stylische Apparate verkaufen, bei so einer subtilen Luxusfarbgebung des Dienstautos...
    Der Custom war doch gar nicht übel, nun durch Günther weiter geadelt. Silberfarbe statt Chrom ist mir durchaus denkbar, seit ich einen Custom mit matt geschliffenen Chromteilen gesehen habe, sah gut aus.
    Meinen habe ich schon damals Richtung 50ies Mild Custom gebaut und werde das Thema bei der Überarbeitung vertiefen, also irgendwo dazwischen, vielleicht als Tow- und Pushcar für einen klassischen Midget Racer, Indy Roadster, Salt Lake Streamliner aus den 50ern. Dazu muß mir erst was über den Weg laufen.
    Eh zu viele Ideen, wie wir alle, und erst muß was fertiggebaut werden.
    Danke für das neuerliche Wochenendhighlight. Wenn das nun wöchentlich so weitergeht...
    Herzliche Grüße, Christian

  • #4

    Reinhold (Montag, 31 Mai 2021 08:32)

    Volle Deckung! Robert E. alias Agent 86 hat wieder zugeschlagen und das (Plastik-) KAOS besiegt. Und wann kommt die nächtliche Parkplatzszene mit der Übergabe der heißen Ware ins Fernsehen? Verdient hätts die Story allemal! Der 54´Delivery Chevy stand auch bei mir schon einmal voriges Jahr auf der to-do-Liste. Weiter als bis zum Fahrwerksumbau (soll Teile vom 55´er Olds von Welly erhalten) hat er es aber (noch) nicht geschafft. Ich kann nur hoffen, dass er beim Weiterbau dann auch an das Niveau von Roberts Delivery herankommt. Aber das wird sehr schwer werden, darum verschieb ich das lieber mal auf unbestimmte Zeit. Vor kurzem konnte ich ja bereits das lackierte Modell im Rohbau sehen und bin schon ganz gespannt, das fertige Teil in Natura zu begutachten. Der "Lechzfaktor" ist schon stark ausgeprägt!