1962 Ghia L 6.4

Ghia L 6.4

 

Toy Story

 

Umbau Roxy Model, Maßstab 1:25

TOY STORY

 

Zwei Billig-Spielzeugautos aus der Mitte der ´60er Jahre werden diesmal nicht im Sandkasten geschreddert, sondern mit viel Arbeit und Liebe zum Detail zu naturgetreuen Standmodellen veredelt.

Das Original

Frank Sinatra hatte einen, sein „Rat Pack“-Kumpel Dean Martin auch, ebenso die Schauspielerin Lucille Ball oder die Sängerin Debbie Reynolds – die Rede ist vom Ghia L 6.4 bzw. seinem direkten Vorgänger, dem Dual-Ghia, die sich bei den Reichen und Schönen im Amerika der frühen ´60er Jahre großer Beliebtheit erfreuten.

Aber die Geschichte dieses „Milestone Cars“ beginnt schon viel früher, nämlich Anfang der ´50er. Virgil Exner, Chryslers Styling-Ikone, sah auf einer Italienreise mit Erstaunen, wie flink und präzise die Karosseriebauer bei Ghia die Blechteile der Prototypen über Holzformen herstellten und montierten. Er beschloss, seine Show Cars fortan in Italien bauen zu lassen, einmal aus Kostengründen und weil ihn schon bald mit Luigi Segre, dem Chef bei Ghia, eine produktive Freundschaft verband.

So baute Ghia 1954 den Dodge Firearrow II als „Idea Car“ für Chrysler und stellte die Studie im gleichen Jahr auf dem Autosalon in Turin vor. Schon bald folgten die Nummern III und IV, im Gegensatz zum Firearrow II geschlossene und fahrbereite Coupes. An dieser Stelle kommt Eugene A. Casaroll ins Spiel, ein reicher Schiffsunternehmer, dessen Flotte hauptsächlich fabrikneue Chrysler-Fahrzeuge transportierte.

In Casarolls Augen war der Dodge Firearrow einfach zu schade, um nach seiner Tournee über die einschlägigen amerikanischen Auto-Shows auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Er beauftragte seinen Freund, den Konstrukteur Paul Farago, den Firearrow auf der Basis eines verkürzten Dodge-Fahrgestells mit dessen Technik für eine Kleinserie fit zu machen. Das Ergebnis dieser Bemühungen, der „Dual Ghia Firebomb“, erschien als Prototyp für die Kleinserie auf dem Genfer Autosalon 1955.

Nach etlichen, durch notwendige Änderungen erzwungenen Verzögerungen konnte die extra dafür gegründete „Dual-Motors Company“ im Herbst 1956 die ersten Fahrzeuge auf der Basis des 1956er Dodge zum Preise von 7646 Dollar ausliefern. Das äußerst hochwertig gefertigte und leistungsfähige Cabriolet wurde von der Fachpresse begeistert aufgenommen und erregte schon bald die Aufmerksamkeit derer, die es sich leisten konnten (siehe oben).

Trotzdem blieb der von Casaroll erhoffte kommerzielle Erfolg aus und so entstanden bis zum Herbst 1958 nur insgesamt 104 offene Dual Ghias sowie zwei „Fixed Head„-Coupes. Enttäuscht zog sich der zu diesem Zeitpunkt auch schon an Krebs erkrankte Casaroll aus der Firma Dual-Motors zurück und verkaufte seine Anteile an Ghia. Damit zwang er Farago, der das Projekt unbedingt weiterführen wollte, die Zusammenarbeit mit Virgil Exner und Ghia zu intensivieren. Exner machte sich 1959 daran, auf der Basis der ´60er Chrysler-Modelle mit den nunmehr selbsttragenden Karosserien ein völlig neues Kleid für das jetzt „Ghia L 6.4“ genannte Coupe zu schneidern.

Dabei blieb das Grundthema der Firearrow-Front weitestgehend erhalten, das Heck und die Seitenteile zeigten dagegen deutliche Anklänge an Exners ´61/62er Dodge- und Plymouth-Linien. Ein besonders auffälliges Styling-Merkmal war die riesige, dreiteilige Panorama-Heckscheibe, die in ähnlicher Form auch beim 1961 vorgestellten Fiat 2300 Coupe zu finden war. Das neue Auto debütierte auf dem Pariser Autosalon im Herbst 1960. Unter der Haube arbeitete der 383er Chrysler Wedgehead V8 (6,4 Liter Hubraum) mit 335 PS, der eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in unter 10 Sekunden ermöglichte – zu dieser Zeit ein Spitzenwert!

Im Vergleich zu seinem Vorgänger hatte der Ghia L 6.4 nicht nur 200 kg an Gewicht zugelegt, sondern auch seinen Preis auf fast 15.000 Dollar verdoppelt. Gebaut wurden insgesamt nur 27 Exemplare, alle in Handarbeit und auf Kundenwunsch mit allen damals erdenklichen Extras ausgestattet. Darüber hinaus gab es Autos mit runden oder rechteckigen Scheinwerfern, mit oder ohne Edelstahlbügel am Dachabschluss, so dass kaum zwei Exemplare einander glichen.

Zu den erste Ghia L 6.4-Kunden zählten wiederum Frank Sinatra, Dean Martin und Lucille Ball, aber schon 1963 wurde die Produktion eingestellt. Trotz der Prominenz seiner jeweiligen Besitzer sind sowohl der Dual Ghia als auch der Ghia L 6.4 selbst bei Auto-Enthusiasten kaum präsent – allerhöchste Zeit, diesem „Milestone Car“, das es als Modell bisher nur in 1:43 und 1:18 gibt, auch in 1:25 ein Denkmal zu setzen….

 

 

Die Modelle des Ghia L 6.4

Irgendwann stellten der Guru und Me, Myself and I  folgenden Sachverhalt fest:

Hey, wir haben ja Beide ein Ghia 6,4 L Model! Na ja, Model wäre jetzt

ein klitzekleines bisschen übertrieben aber als Basis, um einmal ein Model daraus zu machen, taugte das Spielzeug mit seinem Friktion Motor von der Firma Roxy Models Hongkong, das wir da besaßen, alle mal. Außerdem war es auch noch im korrekten Maßstab.

Seinen fand er auf einer Tauschbörse, als es noch interessante Tauschbörsen gab, auf denen man noch Schätze finden konnte, die das Herz eines Jägers noch so richtig erfreuten.

Meinen hat mir mal der Christian geschenkt. Es waren die Überreste eines 60er Jahre Spielzeugautos. Dem hatte jemand übel mitgespielt. Die Motorhaube fehlte, die rechte A-Säule auch und das Dach war fast auf ganzer Länge durchgebrochen. Außerdem fehlte die Inneneinrichtung mitsamt Fahrgestell, was aber nix bedeutet, denn die muss man sowieso wegschmeißen, da die Räder, Sitze und das sogenannte "Armaturenbrett" von ergreifender Schlichtheit waren und nicht das geringste mit dem Vorbild zu tun hatten.

Die Glasteile waren zum Glück bei beiden soweit in Ordnung, dass man die Heckscheibe verwenden konnte. Die Windschutzscheibe kann man eh nicht brauchen, außerdem hatte meine einen gewaltigen Sprung.

Nach dem Vorbild von Gerd´s Ghia, habe ich meinem eine neue Motorhaube aus einer von einem 58er Thunderbird gestrickt.


Die Kühlergrills und Stoßstangen wurden bei Chrom Tech USA neu verchromt, als das noch möglich war. Bei beiden Grills habe ich den angedeuteten Gitterhintergrund rausgesägt und durch ein richtiges Gitter ersetzt. Die Schweinwerfer habe ich aus 6mm Schweinwerfer

Linsen aus dem Ersatzteilzimmer und 6mm Evergreenröhrchen selbst

angefertigt. Die Bilux Birnen darin habe ich aus durchsichtigen Gießästen über einer Kerzenflamme gezogen.

Die Acht superseltenen Rücklichter für beide lagen im Ersatzteilzimmer vom Mill Papa! Neun Stück aus durchsichtigem Kunststoff an einem Runner. Musste ich nur noch mit roter Glasmalfarbe und Molotov Chrom bemalen. Genau die richtigen für dieses Auto. Soviel Glück hat man nur ein einziges Mal im Leben.

 

Nobody knows, zu welchem Bausatz  die einst gehörten.

Die Karosserie wurde umfangreich korrigiert. In der Collectible Automobil vom Dezember 1993 und auch im Internet gibt es sehr schöne Bilder.

Zunächst mal habe ich die Höhe angepasst. Das Auto hört an der Türunterkante nicht einfach kommentarlos auf, sondern da sollten noch ca. 4mm Schweller unter der Zierleiste sein, die aber fehlten!

Ein 62er Plymouth Fury Wrack und ein angezählter 70er Cadillac Eldorado fungierten als edle Spender. Sie opferten Ihre Schweller um den Ghias auf die Sprünge zu helfen.

Die Radläufe wurden völlig umfrisiert, verkleinert und neue Radlaufkanten aus Evergreen Streifen eingesetzt.


Als ich die Bilder der Originale genau studierte, kam ich zu der Erkenntnis, dass Chrysler damals, 1962, die Windschutzscheibe, den Scheibenrahmen, die Spritzwand und ein verkürztes Dach vom Coupe genommen und nach Italien geschickt hatten. Das hieß für mich, zwei 62er Chrysler 300 opfern und für die Roxy Teile: Rüben ab! 

Der Windlauf und das Dach fielen der Säge zum Opfer, nur der schmale

Edelstahl Bügel an der C-Säule blieb stehen, wurde mit Evergreen eingefasst und daran das verkürzte Dach stumpf angeklebt.

Es gab Fahrzeuge mit, und es gab Fahrzeuge ohne Edelstahl Bügel.

Ansonsten spendete der 300er seinen Windlauf mitsamt Scheibenrahmen, der genau in den Ghia Body eingepasst werden musste.

Die Motorattrappen habe ich rausgesägt !

Bei Meinem tut der Motor aus dem 300er Dienst, sowie ein verkürztes

1962er Chrysler Fahrgestell. 

In seinen hat der Gerd auch einen 413er Chrysler Motor implantiert aber

 

auf einem verkürzten MPC 69er Charger 500 Fahrgestell.


Meiner hat eine 62 Plymouth Fury Innenausstattung, der andere eine vom 300er Chrysler.

Beide wurden massiv verändert.

Jede Sitzkiste wurde verkürzt, bei der von der Fury hieß es für die vordere Sitzbank: Adios, die Säge will sägen.

Der 300er hat vordere Einzelsitze, die aber zugunsten 59er Cadillac Sitzmöbeln nicht zum Einsatz kamen.

Im  Ersatzteilzimmer lagen schöne Einzelsitze, deren Herkunft nicht bekannt ist. Die wohnen jetzt in meinem Pflaumenfarbenem Coupe.

Das Armaturenbrett ! Oh-weh, Oh-weh, Oh-jemine! Gab es leider nicht,

siehe weiter oben die Aufstellung über die vorhandenen Roxy Komponenten.

Im " Spielzeug " war ein Brett mit ein paar wahllos darüber verteilten

Kringeln, die wohl Instrumente darstellen sollten.

Das ´ Lenkrad `war genauso übel. Eine Lösung musste her. Wieder mal der ganz harte Weg.

Das Original hat eine Anzeigenlandschaft in mehreren Ebenen, die in eine Mittelkonsole übergeht.

In einer Dreiwöchigen Intensiv Sitzung, habe ich eins angefertigt und für den zweiten einen Abguss mit Zahnarzt Silicon aus Stabilit Express gemacht.

Nach den Vorbildfotos aus der Collectible Automobil habe ich als Basis das 62 Fury Armaturenbrett verwendet, von dem aber nach Abschluss der Arbeiten nicht mehr viel zu sehen war. Des weiteren kamen Armaturen aus dem Ersatzteilzimmer zum Einsatz. Alles wurde zerschnitten umarrangiert, verspachtelt und zum Teil neu angefertigt z.B. das Handschuhfach.

Sogar das Radio habe ich irgendwo ausgesägt und eingesetzt.

Gerd´s Exemplar hat er noch mit winziger Pfauenaugenfolie von einer

Tabletten Blister Verpackung veredelt. Die Instrumente sind Abziehbilder.

Meine sind mit dem Einhaarpinsel bemalt. Ich bezweifle, dass seine 

Krankenkasse vollumfänglich darüber informiert wurde, was mit Ihren

teuren Verschreibungen geschehen ist.

Auch die Konsole zwischen den Sitzen musste tiefgreifende Veränderungen über sich ergehen lassen. Die Nardi Holzlenkräder haben wir wieder den gut gefüllten Ersatzteilzimmern zu verdanken.


Die Borrani Chrom Speichen Felgen gehörten ursprünglich zum 65 Buick

Riviera von AMT.

Der Kofferraum bei beiden wurde, Theresia sei Dank, mit Mantel  Innenfutter Seidenstoff ausgekleidet.

Der Baremetal Zuckerguss für alle zwei wurde bei "Hoffman Ingenieering

Groverville, Chiemgau County in Arkansas" appliziert. Das ist die allererste Adresse für solche Veredelungsarbeiten!

Die Rücklichtschalen auf dem hinteren Kotflügel waren nur angedeutet.

Ich habe die Ausschnitte größer gefräst und 58er Corvette Chromschalen mit roten Linsen eingesetzt.

Die Lackierung von Nr.1 ist ein schönes Dunkelblau von Duplicolor, sowie

 

ein Pflaumenblaumetalic , ebenso von Dupli für Nr.2.

Welcher jetzt die tatsächliche Nummer eins oder zwei ist, lässt sich sowieso im Nachhinein nicht mehr feststellen. Mir gefallen beide ausgezeichnet und ich glaube Qualitätsunterschiede gibt´s überhaupt keine, da beide mit einem Maximum an Liebe und Sorgfalt hergestellt wurden.

Leider gehören mir nur 50% vom Endergebnis, da ich schweren Herzens

das dunkelblaue Schätzchen rausrücken musste.

Es war aber eine sehr schöne Erfahrung, zu zweit am optimalen Ergebnis

für einen solchen Traum zu arbeiten.

 

 



Gerhard Hoffmann, Bachmehring

Günther Eberhardt, München

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Kommentare: 4
  • #1

    Christian (Sonntag, 22 Januar 2023 18:19)

    Carissimi,
    Herzliche Gratulation da sind wirklich tolle Luxus-Coupés gelungen. Allein schon über das grobe und doch maßstäbliche Modell zu stolpern, ist schon eine Kunst, und dann noch die Ausführung als Modell. Höchste Qualität.
    Eine Erinnerung an den Ghia von Corgi, der hatte allerdings einen Corgi auf der Hutablage sitzen. Hut ab, zwei Meisterwerke.

  • #2

    Christian (Sonntag, 22 Januar 2023 18:26)

    Im Original eines der letzten glamourösen Autos, na gut, Cadzilla lassen wir gelten, aber wenn ich an die ordinär folierten Lamborghinis und SUVs der heutigen sogenannten Prominenz denke…
    Der Ghia L 6.4 war schon noch in der Tradition der carrossierten Duesenbergs, Caddies Delahayes und auch Ferraris.

  • #3

    rainer (Montag, 23 Januar 2023 09:08)

    Grandioser Modellbau im Doppel-Pack.
    Dank dem bewunderswerten Streben und Schaffen der beiden Erbauer sind aus eigentlichem Wegwerf-Spielzeug zwei wunderschöne, pflaumenblaue 'Perlen' entstanden. Passt ja alles gut zusammen: Gerd's riesiges Fachwissen und Günthers schnauzige Schreibe.
    Wieder mal ein sehr gelungener Beitrag. Macht weiter so.

  • #4

    Reinhold (Montag, 23 Januar 2023 10:06)

    Großes Kompliment an euch Beide! Ich kenne die Ausgangsbasis zwar nicht, aber was ihr daraus geschaffen habt, davor kann man nur (den leider nicht vorhandenen) Hut ziehen (s. Kommentar von Christian). Nicht nur allein die Überlegungen, aus welchem seltenen Bausatz man welches Teil hernehmen kann oder gar selbst anfertigen muss (Schweller, Dach, Interieur usw.), sondern auch die Umsetzung verdienen aller größten Respekt. Persönlich empfinde ich den Ghia L 6.4 zwar nicht als die harmonistische Krönung des Automobilbaus, hätte den aber trotz alle dem sehr sehr gerne hinter meinem Vitrinenglas stehen. BRAVISSIMO!!!