1960er Plymouth Station Wagon, Convertible, Hardtop Coupe und 4-door Sedan
Finest fins
Basis von Jo-Han-Bausätzen im Maßstab 1:25
Nie waren Heckflossen so „haifischig“ wie beim 1960er Plymouth und selten schwangen sie sich so elegant aus der Seitenlinie empor wie hier – vier Modelle auf der Basis von Jo-Han-Bausätzen treten den Beweis für diese Behauptung an…
Eigentlich gilt das Jahr 1960 als Wendepunkt im amerikanischen Automobil-Design – General Motors stutzte die schlimmsten Auswüchse von 1959 bei den Chevrolets, Oldsmobiles, Pontiacs. Buicks und Cadillacs zurück und Ford brachte eine völlig neue Generation von ultraflachen, eleganten Autos auf den Markt. Nur bei den Chrysler-Divisionen Plymouth, Dodge, DeSoto, Chrysler und Imperial wuchsen die Flossen in den unterschiedlichsten Formen weiter in den Himmel.
Und doch gab es auch hier eine Revolution, die sich allerdings unsichtbar unter dem Blech abspielte. Nach vielen Jahren der Entwicklung stellte Chrysler bei allen Marken außer Imperial die Fertigung auf selbsttragende Karosserien um. Weniger Gewicht, mehr Stabilität und ein größeres Raumangebot waren die Hauptargumente für diese aufwändige Umstellung, mit der Chrysler einen großen Schritt nach vorne tat.
Die Plymouth-Werbetexter nutzen diese Tatsache dazu, dem Publikum zu suggerieren, man hätte das Automobil neu erfunden. Die Bauweise mit separatem Rahmen, im Vorjahr selbst noch praktiziert, wurde als hoffnungslos rückständig disqualifiziert und dabei geflissentlich verschwiegen, dass Chryslers Luxusmarke Imperial weiterhin auf die Bauweise mit einem stabilen Rahmen setzte, um die hoch sensible Kundschaft nicht zu überfordern.
Weil wir gerade bei den Werbetextern sind: auch für die extrem dominanten Heckflossen des ´60er Plymouth ließen sie sich eine mehr oder weniger plausible Erklärung einfallen. Zunächst sollte der Begriff „Fins“ in diesem Zusammenhang nicht mehr verwendet werden; vielmehr wurde jetzt die Bezeichnung „Stabilizers“ mit der Begründung eingeführt, dass sie bei höheren Geschwindigkeiten oder Seitenwind bis zu 20% weniger Lenkkorrekturen erforderten. Und immer wieder taucht der Begriff „solid“ auf, wie um den Skeptikern der selbsttragenden Bauweise einzuhämmern, dass eine rahmenlose Karosserie stabiler wäre als alles bisher dagewesene.
Abgesehen von der neuen Bauweise und dem Werbegedöns der Prospekte fiel das Design des 1960er Plymouth durchaus bemerkenswert aus. So findet sich der Negativ-Schwung der A-Säule in den vorderen und hinteren Radläufen wieder, ebenso im Abschluss der Heckflossen und beim Coupe in der C-Säule. Das alles ergab ein ungewohntes und eigenwilliges, aber nicht unattraktives Erscheinungsbild und trug sicher mehr zum Erfolg dieses Jahrgangs bei als die selbsttragende Bauweise der Karosserie. Wie im Vorjahr erfolgte der Einstieg mit den einfach gehaltenen „Savoy“-Modellen, darüber platzierte sich die „Belvedere“-Reihe, während die „Fury“-Modelle die Spitze bildeten. Letztere gab es als viertürigen Sedan mit B-Säule, viertürigen Hardtop Sedan ohne B-Säule, Hardtop Coupe, Convertible und Station Wagon („Suburban“).
DIE BAUSÄTZE DES PLYMOUTH 1960 IN 1:25
Wie bereits 1959 begleitete Jo-Han auch den Plymouth-Jahrgang 1960 mit Werbemodellen (Promos) im Maßstab 1:25 und einem daraus abgeleiteten Customizing-Bausatz des Hardtop Coupes. Der Kit erschien in einer gelb-roten Einheitsschachtel, bei der lediglich in weißen Feldern auf der Stirnseite vermerkt war, welches Modell sich darin befand. Für einen Bausatz dieses Alters ist die Karosserie erstaunlich stimmig und sauber mit feinen Gravuren und Details gefertigt, wie beim Promo bleibt allerdings die Motorhaube verschlossen und das Fahrwerk weist noch keine Radkästen auf. Sehr schön und vielseitig präsentiert sich der Chrom-Gießast mit Moon Discs, Spinners, Sidepipes und einer riesigen Halterung für das außenliegende Reserverad (Continental-Kit). Weitere Customteile wie Fender Skirts, Louvres, zusätzliche Heckflossen, das zweiteilige Continental Kit und eine Hood Scoop befinden sich am weißen Gießast, außerdem liegen Decals für Custom-Graphics sowie die Startnummer einer fiktiven Renn-Version bei. Der Annual-Bausatz des 1960er Plymouth Fury Hardtop Coupes wurde nie wieder aufgelegt und bewegt sich daher heutzutage preislich in schwindelerregenden Höhen
In der Mitte der ´70er Jahre begann für viele Jo-Han-Annuals und Promos das zweite Leben in Form der „USA Oldies“-Serie und der „XEL“- Wiederauflagen. Im Falle des 1960er Plymouth unternahm Jo-Han den zweifellos sehr aufwändigen und ungewöhnlichen Schritt, das damals gefertigte Promo des Station Wagons in einen Bausatz mit Motornachbildung und separater Motorhaube umzuwandeln. Davon erschienen dann auch gleich zwei Versionen, der „´60 Plymouth Station Wagon“ und der „Police Emergency Wagon by Plymouth“, die sich beide nur in der Serien-Ausführung bauen ließen. Interessantes Detail am Rande: Während das Deckelbild der Schachtel des Polizei-Fahrzeugs die einfache Savoy-Version ohne die lange seitliche Zierleiste zeigt, entspricht die Karosserie des Inhalts der „Suburban“-Version des Station Wagons mit dieser Zierleiste. So sind beide Kits bis auf den kleinen Gussast mit der Rundumleuchte, das kleine rote Klarsichtteil dafür und die „Police“-Decals beim Emergency Wagon identisch und teilen sich auch die extrem simple Bodenplatte, die wohl vom Promo übernommen wurde.
DIE GEBAUTEN MODELLE
Der „USA Oldies“-Bausatz des ´60er Plymouth zählt zu der äußerst seltenen Gattung der Station Wagon-Bausätze in 1:25, wenn man von den zahlreichen Resin-Kits diverser Anbieter einmal absieht (siehe auch den Bericht „Early Plastic Wagons“ in der Rubrik „Specialities“). Obwohl der kaum mehr als 30 Teile umfassende Bausatz die schlichte Promo-Basis nicht verleugnen kann, lässt sich mit der entsprechenden Sorgfalt bei Farbgebung und Detaillierung ein beeindruckendes Modell realisieren. Die hier gezeigte Replik wurde nach Vorbildfotos in einem gedeckten Goldmetallic mit elfenbeinfarbenem Dach lackiert und eine dazu passende braun-beige Innenausstattung implantiert. Auch Motor und Fahrwerk erhielten eine von Original-Aufnahmen inspirierte, differenzierte Farbgebung, so dass aus dem simplen Kit doch noch ein echtes Schmuckstück entstand.
Dieser Bausatz lieferte auch die Ausgangsbasis für den Umbau zum blauen 1960er Plymouth Fury Convertible. Bevor mich jetzt einige der jüngeren Perfektionisten aus der Community ob der zahllosen Unzulänglichkeiten dieses Modells teeren und federn, möchte ich sie auf eine kleine Reise in die Vergangenheit einladen. Wir schreiben das Jahr 1975/76/77 oder 78 (so genau lässt sich das heute nicht mehr festlegen) und es gibt weder Handys, Smart Phones noch Internet und all die Segnungen der modernen Technik liegen in weiter Ferne. In Deutschland dominiert Revell den Bausatz-Markt, ergänzt nur durch einige ausgesuchte japanische und amerikanische Kits aus dem Angebot der Importeure Behringer und Schreiber. Kaum jemand kennt hierzulande das bereits damals riesige Angebot der amerikanischen Annual- und Promo-Szene, und wer vielleicht doch schon einen der raren Kataloge oder Listen von Model Empire oder Hobby Heaven besaß, wurde durch die extrem schwierigen Bestell-Modalitäten, die hohen Zölle und die satten Preise (ein Dollar entsprach ca. 2,50 DM) abgeschreckt.
Mitten hinein in diese Modellbau-Diaspora platzten die Bausätze der Jo-Han „USA Oldies“-Serie, damals importiert durch die Firma Kager aus Heusenstamm, wie eine Bombe. Endlich gab es viele der US-Cars, von denen die Fans träumten, als Bausätze zu erschwinglichen Preisen und jeder sah zu, dass er möglichst viele davon bunkern konnte. Schon bald waren die meisten Modelle – oft mehr schlecht als recht – gebaut und kreative Köpfe überlegten sich bereits aufwändige Umbauten wie das hier gezeigte Cabriolet. Dafür wurde – vereinfacht ausgedrückt – eine Station Wagon-Karosserie ihres Daches und der hinteren Türen beraubt und das Ganze mit dem Kofferraum des 62er Chrysler 300 ergänzt. Die kleinen hinteren Radläufe des Cabrios mussten einschließlich der Fender Skirts in Scratch-Bauweise entstehen und auch die Innenausstattung des Kombis wurde aufwändig den neuen Verhältnissen angepasst. An die Stelle der anfangs montierten Kombi-Heckstoßstange trat in den ´90er Jahren das richtige Chromteil aus dem Sortiment von Don Holthaus und auch die Verchromung mit Bare Metal Foil stammt aus jener späteren Phase. Trotz aller Mängel und Fehler ist dieses Modell doch ein beredter Zeuge einer Zeit, in der noch kreativ improvisiert werden musste, weil sich nicht jedes Problem mit einem Mausklick aus der Welt schaffen ließ…
Ganz anders verlief die Entstehungsgeschichte des grünen ´60er Plymouth Hardtop Coupes. Hier stand kein Bausatz am Anfang, sondern ein erheblich verzogenes Acetat-Promo, dessen Front irreparabel „grinste“. Welche massiven Probleme der Erbauer dieses Modells, Günther Eberhardt, beim Versuch, die Promo-Karosserie mit dem Vorderteil eines Station Wagon-Kits zu verheiraten, zu bewältigen hatte und wie er die ganze Aktion doch noch zu einem guten Ende führte, beschreibt er ausführlich und anschaulich in dem Bericht “Furys in the Slaughterhouse“ in dieser Rubrik („60s“)
Gleich zwei teure und rare Bausätze und ein ebenfalls sehr seltenes XEL-Promo fielen der Säge zum Opfer, um die fixe Idee eines 1960er Plymouth Fury 4-door Sedans zu realisieren. So lieferte der Station Wagon-Kit das Vorderteil bis hin zum hinteren Türspalt, das komplette Heckteil stammte von einem relativ günstig erstandenen Builder des Annual-Coupe Bausatzes und das Dach sowie die Front- und Heckscheibe wurden dem 59er Chrysler New Yorker von XEL entwendet.
Klingt soweit alles ganz einfach, doch wie immer steckte der Teufel auch hier im Detail: Der hintere Türspalt des Station Wagons verläuft aufgrund des größeren Radausschnittes ganz anders als beim Viertürer mit dem kleinen Radausschnitt und musste neu graviert werden, außerdem passte der untere Abschluss des Limousinen-Heckfensters nicht mit dem des Coupe-Hecks zusammen und erforderte inklusive des Scheibenrahmens eine Neugestaltung mit Plastiksheet. Die farblich abgesetzte Fläche vor dem vorderen Radausschnitt trägt beim 4-door Sedan den Schriftzug „Fury“ und musste daher durch das entsprechende Teil des Annual-Builders ersetzt werden. Immerhin konnte die Innenausstattung des Kombis fast unverändert mit einer selbst gebauten Hutablage aus Plastiksheet zum Einsatz kommen, während die Wiederauflage des ´59er Imperials von AMT den „Toilet Seat“ auf dem Kofferraumdeckel beisteuerte.
So weit also die vier Modelle zum Thema „1960er Plymouth“ im Maßstab 1:25 auf der Basis von Jo-Han-Bausätzen und Promos. Für die hart gesottenen Fans dieses legendären Fin-Cars sei noch angemerkt, dass es im Maßstab 1:43 ein sehr gut gemachtes Modell des Hardtop Coupes von NEO gibt, während Conquest einen überaus hübschen 4-door Hardtop Sedan im Programm hat. Carrera liefert für die Slot-Piste ein rot-weißes Hardtop Coupe im Maßstab 1:32, das es auch in einer „Richard Petty“-Version in blau mit seiner Startnummer „43“ gibt. Und last but not least hat der chinesische Fertigmodell-Hersteller Sun Star gleich drei Versionen des ´60er Plymouth Fury im Maßstab 1:18 in hervorragender Qualität anzubieten: ein offenes Cabrio in Rot, ein geschlossenes Cabrio in Mintgrün mit weißem Verdeck und ein metallicgrünes Hardtop Coupe mit weißem Dach – nicht kleckern, klotzen heißt hier die Devise!
Text und Bilder: Gerhard Hoffmann, Bachmehring
Herzlichen Dank an folgende Modellbauer:
1960er Plymouth Station Wagon, goldmetallic: Rainer Mill, Görlitz
1960er Plymouth Hardtop Coupe, grün: Günther Eberhardt, München
Kommentar schreiben
Christian (Freitag, 25 April 2025)
Carissimi,
Es sind wirklich alle Modelle toll und zelebrieren das dynamische Space-Design der tollen Originale würdig. Wirklich beeindruckend, wie dieses Auto den Mythos Chrom and Fins schon ab Werk zelebriert hat und die Modelle das rüberbringen. Das ist wichtiger als „Nietenzählen“, was wir anderen Fraktionen überlassen.
Danke auch für die interessanten Einblicke in die Geschichte der Originale und der Modellbausätze. Stabilizer Fins sind ja funktionell im Rennsport aufgetaucht auch Jahre später weiter eingesetzt worden. Allerdings waren die USA damals schon höchst geschwindigkeitslimitiert, als wir uns noch nicht träumen haben lassen, was den Autofeinden noch alles an Schikanen einfallen wird. So haben die Stabilizer Fins am Plymouth ihre Funktion leider höchstens im NASCAR-Oval beweisen können.
Jedenfalls ein scharfes Auto, scharf präsentiert, Gratulation allen Beteiligten.
Reinhold (Dienstag, 29 April 2025 22:23)
Der 60iger Plymouth gehörte gegen Ende der 80igern zu den ersten JoHans, die ich mir zulegte. Damals bekam man die vermeintlichen "Ladenhüter ' für wenig Bares fast noch nachgeschmissen. So hab ich mir den Kombi auch gleich 2 mal gekauft und mich geärgert, dass es von de. Flossentier keinen "normalen " Hardtop gab. Also hab ich auch den 62"er Chrysler mit dem Plymouth "verwurschtelt" : die Front bis zur Scheibe, das Interior , Räder und Heckstossstange vom Plymouth und natürlich die riesigen Flossen in den Chrysler implantiert. Ist natürlich nicht korrekt, aber vor mehr als 30 Jahren hatte ich bzw. Die meisten von uns noch keine Ahnung geschweige denn Zugang zum Internet. Puristen mögen mir daher bitte meinen Fauxpas verzeihen. Ich hab mich aber sehr über deinen Bericht gefreut und auch über eure Modelle sowieso.